Pädagogik für Dich | Ausgabe 03/2024 Es braucht Stellen, wo man andocken kann Kultursensibilität ist eine Haltungsfrage von Marion Bischoff Zufällig lernten sich unsere Redakteurin Marion Bischoff und Mona Wafsy im Austausch zu kultursensibler Pädagogik kennen. Daraus entwickelte sich die Idee für dieses Interview und die weitere Zusammenarbeit für die Pädagogik für Dich. Als Deutsche mit ägyptischen Wurzeln berichtet Mona von ihrer Arbeit als Kita-Leitung und gibt ein paar gute Tipps für den Alltag im interkulturellen Kontext. PfD: Liebe Mona, schön, dass du da bist. Bevor wir so richtig ins Thema einsteigen, würdest du dich den Leserinnen und Lesern kurz vorstellen? Mona: Klar. Gerne. Ich bin knapp 30 Jahre alt, lebe in Aschaffenburg, arbeite als Kita-Leitung in einem Familienstützpunkt, habe mein letztes Jahr der Fachakademie im Ausland absolviert und als Halbägypterin (mein Papa ist Ägypter) einige Jahre in Ägypten gearbeitet. Als Leitung bin ich in einer Aschaffenburger Kita tätig, die interkulturell arbeitet. PfD: Hast du aufgrund deiner halbägyptischen Herkunft schon einmal Ausgrenzung erlebt? Bei dir ganz persönlich? Mona Wasfy ist Kitaleitung in einem Familienstützpunkt und hat einige Jahre als Erzieherin im Ausland gearbeitet. Mona: Ich persönlich habe es selten erlebt. Ich bin hier geboren, bin der deutschen Sprache mächtig, habe meinen Freundeskreis. Ich weiß jedoch von vielen anderen, dass viele Freunde mit arabischem oder ausländischem Nachnamen schon im Bewerbungsprozess Schwierigkeiten haben oder das Gefühl haben, ihr Name sorge für Schwierigkeiten. Ich selbst kann das von meinen Bewerbungen nicht sagen. Doch ich merke es in meiner Arbeit schon immer wieder, dass es da Hürden gibt. Wenn dir die sprachlichen Fähigkeiten fehlen, wenn du nicht „andocken“ kannst an den Stellen, wo Familien hinfinden, die die Sprache beherrschen, bist du ganz schnell „außen vor“. Das macht es schwer anzukommen, akzeptiert zu werden, respektiert zu werden und dir dann eben dein Leben aufzubauen. Und ganz oft passiert es dann, dass Familien mit Migrationsgeschichte entweder gleich in eine „Schublade“ gesteckt werden oder dadurch, dass sie sich nicht öffnen, in ihren eigenen Kreisen bleiben. PfD: Was würdest du einer Erzieherin empfehlen, die mit Kindern und Familien aus unterschiedlichen Kulturen arbeitet? Mona: Leichte Sprache! Leichte Sprache ist das A und O. Die deutsche Sprache ist kompliziert, das wissen wir. Und es geht darum, verstanden zu werden. Deswegen braucht man in erster Linie einfache Worte. Worte, die nicht für Verwirrung sorgen. Wir haben ganz oft im Deutschen Wörter, die man nicht versteht. Ein Beispiel ist „Schneebesen“. Was versteht man als Migrant unter diesem Wort? Einen Besen, um Schnee wegzukehren? Doch für uns ist es ein Gerät, um zu rühren. So entstehen leicht Unklarheiten und Eltern fühlen sich unwohl. Deswegen sollten Fachkräfte ganz viel mit Bildern arbeiten. Auch bei den Eltern. Visualisieren braucht Zeit. Doch dadurch entsteht Vertrauen. Und das braucht man. Diese liebevolle Vertrauensbasis. Die wächst mit der Zeit. Dazu gehört auch eine Portion Humor. Lachen öffnet Türen. Gemeinsam lachen öffnet mehrere Türen. Außerdem gilt es, Interesse zu zeigen. 16
Fachkräfte PfD: Interesse zeigen bedeutet dann vermutlich auch, dich mit kulturellen Besonderheiten unterschiedlicher Religionen in der Kita zu befassen, oder? Und wie gehst du mit Festen und Feiern in der Kita um? Mona: Ich leite eine katholische Kita. Wir feiern selbstverständlich die christlichen Feste in unserer Einrichtung. Aber wir benennen eben auch die islamischen Feste und Feierlichkeiten in anderen Religionen. Wobei die momentan in meiner Kita nicht so bedeutsam sind, denn die meisten Familien kommen aus muslimisch geprägten Ländern, aus Syrien, Afghanistan. Es ist wichtig, nachzufragen, offen zu sein und zu erfahren, wie bestimmte Feste in anderen Kulturen gestaltet werden. Dieses Interesse zeigt man durch Mimik, Gestik, Rückfragen. Es gibt tolle kostenlose Apps zur Übersetzung. Aufgrund des Ukraine-Krieges ist diese tolle App entstanden, wo man reinspricht und sofort wird das Übersetzte in der anderen Sprache wiedergegeben. So entstehen die ersten Verbindungen zu den Eltern. Damit lässt sich dann aufbauen und so kann man auch an pädagogischen Themen weiterarbeiten. Doch zuerst braucht man die Basis, um an die Familien ranzukommen. PfD: Das klingt gut und es ist sicherlich wertvoll, entsprechendes „Handwerkszeug“ zu haben. Das allein reicht allerdings eher nicht. Oder? Mona: Nein, das reicht nicht. Es braucht eine Offenheit. Offen sein auch für besondere Erziehungsstile. Wir haben viele tolle Erziehungsstile in der deutschen Pädagogik. Es gibt andere Themen und Stile in anderen Kulturen, von denen wir profitieren können. Dafür muss man sich dann eben ein stückweit interessieren. Und ja, ich weiß, dafür fehlt oft auch ein bisschen die Zeit im Kita-Alltag. Doch neue Wege können da helfen. Wenn die Kita bis 16 Uhr geöffnet ist, könnte man beispielsweise die Eltern ab 14 Uhr einladen zum Austausch. Man macht ein Begegnungscafé, ein internationales Essenevent. Es muss nicht immer in Mehrarbeit „ausarten“. Es lässt sich auch in die normalen Dienstzeiten integrieren. PfD: Wobei gemeinsames Essen natürlich schon das Gefühl von mehr Aufwand vermittelt. Man könnte natürlich auch sagen, wir setzen uns einfach im Kreis zusammen und jeder bringt aus seiner Kultur ein Spiel mit. Oder? Mona: Ja, genau. Und im Portfolio könnte man mit den Kindern eine Seite „Mein Heimatland“ thematisieren. Hier können die Kinder in alle Richtungen denken und mit Fotos, Zeichnungen, Karten ihre ganz individuelle Heimat darstellen. Wir arbeiten mit diesen besprechbaren „Buzzern“ für die Kinder. Es gibt ja unzählige Möglichkeiten. Auch den Tellimero-Stift und andere individuell besprechbare Tools kann ich sehr empfehlen. Einerseits helfen die in der Arbeit mit den Kindern, andererseits lassen sich hier natürlich auch wieder die Eltern mit ins Boot holen. Fragt doch einfach mal eine Mutter oder 17
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