Pädagogik für Dich | Ausgabe 05/2023 Interkulturelle Kommunikation Missverständnisse kann man vermeiden von Mounir Zaytouni In pädagogischen Einrichtungen bedeutet die Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund manchmal eine Herausforderung. Oft sind die Pädagoginnen und Pädagogen unsicher, wie man bestimmte Situationen meistern soll. Man ist ratlos, aber gutmütig und will ja schließlich nur das Beste für das Kind und die Eltern. Doch irgendwie versteht man einander nicht richtig. Interkulturelle Missverständnisse Missverständnisse allgemein können bei jeder menschlichen Kommunikation vorkommen. Wenn die Gesprächspartner zusätzlich verschiedene kulturelle Hintergründe haben, dann ist die Möglichkeit noch höher, dass Missverständnisse aufgrund einer Fehlinterpretation des sprachlichen oder non-verbalen Verhaltens des Kommunikationspartners auftreten. Pädagogische Einrichtungen in Stadtteilen mit hohem Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund kennen das gut, gerade wenn die Eltern nicht lange in Deutschland leben und ein anderes Schulsystem bzw. pädagogische Arbeiten gewöhnt sind. Wenn es „Knatsch“ gibt Kulturen auf dieser Welt können so unterschiedlich sein und da in den pädagogischen Einrichtungen in Deutschland so viele verschiedene Nationen vertreten sind, macht das manchmal die Zusammenarbeit kompliziert, zugleich auch interessant und spannend. Zum Beispiel bedeutet in Bulgarien das Kopfschütteln „Ja“ und Kopfnicken „Nein“. In arabischen Ländern gilt der dauerhafte Blickkontakt als unhöflich. In vielen Ländern ist es unhöflich, nicht auf eine Frage antworten zu können, deshalb wird irgendeine Antwort geliefert. Die Tatsache, dass Eltern mit Migrationshintergrund häufig die Rolle von Erzieherinnen und Erziehern in Deutschland nicht genau kennen, erschwert manchmal eine funktionierende Bildungspartnerschaft. Erwartungen wie zum Beispiel „mein Kind soll im Kindergarten lesen und schreiben lernen wie in der Schule“, können vorkommen, denn die Eltern kennen es nicht anders aus ihrer Heimat. Fragen zu Nähe und Distanz können ebenfalls zu Missverständnissen führen. Allgemein gilt in südlicheren Ländern, dass die Menschen weniger Abstand zueinander haben, wenn sie miteinander kommunizieren, Berührungen auf die Schultern oder Umarmungen gelten als sozial und freundlich, während man das in Westeuropa oft als übergriffig bezeichnet. Bei muslimischen Familien ist es sehr wichtig, die Schweinfleischfrage ernst zu nehmen. Aussagen wie „Es ist gemischtes Fleisch, mit nur wenig Schweinefleisch“ müssen vermieden werden. In der islamischen Kultur gilt das Schwein als unreines Tier. Selbst nicht religiöse Muslime vermeiden es meistens, Schweinefleisch 18
Eltern zu essen, weil sie es nicht anders gewöhnt sind. Achtung vor Verallgemeinerungen! In vielen Fällen klappt die Zusammenarbeit mit Eltern anderer Kulturen sehr gut. Deswegen solltest du nicht verallgemeinern, wenn es irgendwo hakt. Was du tun kannst Zuerst ist es immer von Vorteil, wenn man sich darüber informiert, welche Nationen in der eigenen Einrichtung vertreten sind, damit man überhaupt weiß, was einen erwartet. Dann sollte man im Voraus Informationen über die jeweiligen Kulturen aus Fachbüchern, Gesprächen und sonstigen Informationsquellen sammeln. Wichtig ist hierbei, dass man nur ernsthafte pädagogische Literatur verwendet und keine Trivialliteratur, die Vorurteile verbreitet. Die individuelle Lebensgeschichte der Kinder und Familien kann sehr viel Licht ins Dunkle bringen, z. B. ist es wichtig zu wissen, inwieweit eine Flüchtlingsfamilie traumatisiert ist. Vor Gesprächen mit den Eltern solltet ihr im Kollegium feststellen, ob eine Kollegin oder ein Kollege der jeweiligen Kultur der Eltern angehört oder deren Sprache spricht. Nimm sie dir als Unterstützung mit in den Austausch. So baust du automatisch Hürden ab und die Eltern spüren dein Interesse an der Familie und ihrem Kind. Es ist wichtig, immer auf Augenhöhe zu agieren, aktiv zuzuhören. Viele Eltern mit Migrationshintergrund haben Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht oder haben Angst davor, nicht ernst genommen zu werden. Deine Haltung und die des Teams Wie steht ihr als Team zur Aufnahme und Eingewöhnung von Kindern mit Migrationshintergrund, Sprachbarrieren, Traumata usw.? Wie fühlst du dich, wenn du an ein Gespräch mit Familien denkst, die aus einem Kriegsgebiet kommen? Was denkst du über andere Kulturen, die der deutschen in manchen Bereichen sehr konträr entgegenstehen? Welche Erwartung hast du an die Eltern? Was weißt du über den Kulturkreis, aus dem die Familie kommt? Welche guten Erfahrungen hast du bis jetzt mit Eltern mit Migrationshintergrund gemacht? Welche Freunde oder Bekannte mit Migrationshintergrund hast du, die du sehr nett findest? Habt ihr euch im Team schon einmal mit diesen Fragen beschäftigt? Es ist der erste Schritt für jede Erzieherin und jeden Erzieher, um sich selbst zu reflektieren und eine gemeinsame Haltung des Teams zu erkennen. Gemeinschaft stärken Anstatt imaginäre Grenzen zu bewahren, reiße sie einfach ein, indem alle Familien ihre Elternbriefe mehrsprachig bekommen und dadurch das Gemeinschaftsgefühl gestärkt wird. So ist die sprachliche Grenze schon aufgehoben. In einer Kita, die offen für alle ist, lernen Kinder, Eltern und Angehörige den toleranten und offenen Umgang miteinander. So prägt ihr die Gesellschaft von heute und morgen mit, indem nicht Herkunft, Religion, Familienstrukturen in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern jede einzelne Person in ihrer Ganzheit als Mensch. Versuche die Eltern zum Mitmachen zu bewegen. Frage ruhig einen türkischen Vater, ob er zur Unterstützung bei einem Ausflug mitkommt, und organisiert interkulturelle Feste. Auch Eltern mit Migrationshintergrund freuen sich, wenn sie ihre Fähigkeiten einbringen können. Tipp: Mit einem interkulturellen Kalender sind alle Familien darüber informiert, was in der jeweils anderen Kultur gerade „los“ ist. So kann man sich gegenseitig zu bestimmten Anlässen beglückwünschen. Ein „alles Gute zum Zuckerfest“ kann in der Beziehung sehr viel bewirken. Fazit Öffne dein Herz und bilde dich interkulturell weiter, dann wirst du wunderbare Menschen und Kulturen kennenlernen. Mounir Zaytouni ist Dozent an der Fachakademie für Sozialpädagogik in München und bildet dort Erzieherinnen und Erzieher aus. 19
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