Pädagogik für Dich | Ausgabe 05/2023 DIE Lösung?! Ungelernte Kräfte in der Kita von Sintje Murawski, Kita-Fachkräfteverband Nordrhein-Westfalen Würden die von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel für alle Kitas in Deutschland verbindlich gelten, wären 120.000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher nötig. Um eine kindgerechte Personalausstattung und zugleich ausreichend Plätze in allen Kitas zu realisieren, fehlen bis 2030 sogar mehr als 230.000 Fachkräfte. Das im SGB VII verankerte Recht auf „bedürfnisorientierte Betreuung, gute frühkindliche Bildung und individuelle Förderung“ wird zunehmend mit Füßen getreten. Immer mehr Kinder bei immer weniger Fachkräften erschweren die Einhaltung der Kinderrechte. Bedürfnisorientierung, Qualität und Individualität rücken oft in den Hintergrund, wenn Fachkräfte fehlen. Eine Sache der Qualifizierung Die Lösung sollen nun sogenannte Quereinsteiger in der Kita werden? Also Personen, die aus einer fremden Sparte/Branche in das Betätigungsfeld Kita wechseln, ohne die für diesen Beruf sonst allgemein übliche „klassische“ Berufsausbildung oder ein Studium absolviert zu haben. Wer in einer Kindertageseinrichtung angestellt sein darf und welche Qualifizierung derjenige mitbringen muss, regelt in den Bundesländern das jeweilige Kinderbildungsgesetz (KiBiz, AVBay- KiBiG,…) bzw. die dazugehörige Personalverordnung. Wenn sogenannte Quereinsteiger beschäftigt werden sollen, so müssen die rechtlichen Vorgaben der Bundesländer verändert werden. Das dauert erfahrungsgemäß. Aus eigener Erfahrung Ich selbst war so eine Quereinsteigerin. Erst als „Springerin“ eingesetzt und später „ungelernte Ergänzungskraft im Gruppendienst“. Als das in NRW gültige KiBiz geändert wurde und ich meinen Job nicht mehr ausüben durfte, habe ich mich für die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin entschieden. Ich glaube, ich habe meinen Job bis dahin gut gemacht, so gut es eben ging, ohne eine fundierte Ausbildung und das damit verbundene Hintergrundwissen über kindliche Entwicklung, kindliche Bedürfnisse und Lerntheorien. Sind wir mal ehrlich: die Ausbildung dauert nicht ohne Grund – je nach Qualifizierung und Bundesland – im Schnitt zwischen 3 und 5 Jahren. Nun sollen die derzeitigen Systemlücken mit ungelernten Baden-Württemberg Email: Info@verband-kitafachkraefte-bw.de https://verband-kitafachkraefte-bw.de Bayern E-Mail: info@verband-kitafachkraefte-bayern.de https://www.verband-kitafachkraefte-bayern.de Rheinland-Pfalz E-Mail: info@kitafachkraefteverband-rlp.de https://kitafachkraefteverband-rlp.de Saarland E-Mail: Verband@kita-fachkraefte-saar.de https://www.kita-fachkraefte-saar.de/ Hessen E-Mail: kfvhessen@gmail.com https://kfvhessen.org Niedersachsen-Bremen E-Mail: info@kitafachkraefte-niedersachsen-bremen.de https://www.kfkv-niedersachsen-bremen.de Sachsen/Sachsen-Anhalt E-Mail: kontakt@verband-kitafachkraefte-s-sa.de https://verband-kitafachkraefte-s-sa.de Thüringen E-Mail: info@kita-fkv-th.de https://www.kita-fachkraefteverband-thueringen.de Nordrhein-Westfalen E-Mail: vorsitz@kitafachkraefteverband-nrw.de https://kitafachkraefteverband-nrw.de 20
Kita-Fachkräfteverbände Kräften aufgefüllt werden. Es braucht schnelle Lösungen, um das überlastete Kitapersonal zu entlasten! Quereinsteigerinnen und -einsteiger könnten diese Lücken zum Teil schließen, jedoch nicht ohne verpflichtende vorherige bzw. begleitende Qualifizierung/Schulung und nur als Ergänzung zu weiteren Fachkräften. Das System benötigt dann Fachkräfte, die zu ihren derzeitigen Aufgaben des Erziehens, Bildens und Betreuens auch noch die Anleitung, Einarbeitung und Begleitung dieser fachneuen Kräfte übernehmen. Die Liste der Aufgaben von pädagogischem Fachpersonal ist lang. Woher sollen die beschäftigten Erzieherinnen und Erzieher die Zeit für Anleitung und Einarbeitung nehmen? Oft fehlt diese Zeit bereits für die aktuellen Auszubildenden in den Einrichtungen. Analyse und Begleitung Natürlich wird es Menschen geben, die über ein, nennen wir es „natürliches Gespür“ verfügen und wenig Einarbeitung brauchen werden. Aber es wird eben auch diejenigen geben, die bisher wenig bis nichts von Bedürfnisorientierung, Partizipation, Kinderschutz und dem genauen Ablauf der kindlichen Entwicklung wissen, geschweige denn dem Führen und Begleiten einer größeren Kindergruppe etc. Es ist also eine genaue Analyse notwendig, welche Tätigkeiten von diesen Ergänzungskräften, mit ihren jeweiligen Qualifizierungen, übernommen werden können. Logopäden, Ergotherapeuten, Kinderpsychologen usw., diese Professionen wären im Rahmen von multiprofessionellen Teams wünschenswert und eine echte Bereicherung für jede Kita, wenn sie ihrer eigentlichen Tätigkeit nachgehen dürfen. Viele Tageseinrichtungen haben Kooperationen mit den genannten Berufsgruppen und diese haben mehr als genug Kunden und Nachfrage, so dass es eher unwahrscheinlich ist, sie in Kitapersonal umzuwandeln. Zukunftsperspektive Viele Menschen in Kitas einzustellen, bedeutet nicht, dass die pädagogische Qualität weiterhin stimmt. Wechselnde Personen, die stundenweise auf die Kinder „aufpassen“ stehen im Gegensatz zum im Kibiz festgelegten Bildungsauftrag. Welche „ungelernten Kräfte“ könnte es noch geben? Zuallererst sollten nichtpädagogische Kräfte für nichtpädagogische Aufgaben eingestellt werden. Für Verwaltungsaufgaben, Hauswirtschaft oder handwerkliche Tätigkeiten könnten Menschen mit entsprechender Profession engagiert werden. Dieses Personal bräuchte natürlich jemanden, um sie in ihre Tätigkeiten einzuweisen, doch benötigen die bisher von Fachkräften übernommenen „nicht pädagogischen Aufgaben“ kein bis wenig pädagogisches Hintergrundwissen. Einige Einrichtungen verfügen bereits über solche Kräfte. Die sogenannten „sonstigen Personalstunden“ für Küchenkräfte, Putzkräfte, Gartenarbeiten, Hausmeistertätigkeiten etc. oder die immer wieder vor dem Aus stehenden „Alltagshelfer“ (in NRW) reichen jedoch nicht aus, um das pädagogische Personal vollständig zu entlasten. Es braucht eine Erhöhung dieser Stunden. DIE Lösung wird es wohl nicht geben, aber vielleicht einen Schritt in die richtige Richtung, ohne den Anspruch auf Qualität aufgeben zu müssen. Vielleicht ist eine Kombination aus all den genannten Möglichkeiten nicht nur der Tropfen auf den heißen Stein, sondern der Beginn eines Umdenkens, bevor die Beschäftigten in den Kitas vollständig verbrannt sind. Sintje Murawski ist Erzieherin und Beisitzerin im Vorstand des Kita-Fachkräfteverbandes Nordrhein-Westfalen. 21
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