Pädagogik für Dich | Ausgabe 05/2023 Sag, was du zu sagen hast Von Verantwortung und Begeisterung im Praktikum von Philipp Bischoff Du gehst voller Begeisterung in dein Praktikumsjahr, denn du weißt: Nach diesem Jahr ist deine Ausbildung zu Ende. Im besten Fall hast du dir mehrere Einrichtungen angeschaut und konntest auch deine Praxisanleitung kennenlernen. Alles ist perfekt. Dir gefällt das pädagogische Konzept und während deiner Hospitation hast du den Eindruck gewonnen, dass hier wirklich wertvolle Arbeit geleistet wird. Die ersten Arbeitstage verlaufen mit vielen Herausforderungen, denn neue Kinder werden eingewöhnt, eine Kollegin fehlt krankheitsbedingt und du hast das Gefühl, du bist eine zusätzliche Last für die Pädagoginnen und Pädagogen im Haus. Man schickt dich von hier nach dort, überträgt dir Aufgaben wie Tische abzuwischen, den Flur zu kehren oder die Matschsachen aufzuräumen. Zumindest dorthin nimmst du dir zwei Kinder mit, die den Kontakt zu dir suchen. So richtig zufrieden fühlst du dich allerdings nicht. Das geplante Reflexionsgespräch nach deinen ersten beiden Arbeitswochen wird verschoben. Deine Praxisanleitung ist allein mit dir in der Gruppe und im Beisein der Kinder möchte sie das Gespräch nicht führen – zumindest das ist auch gut und richtig so! Du spürst allerdings auch, dass deine Unzufriedenheit zunimmt. Dann bitte gleich um einen neuen Termin und mach deutlich, dass er dir sehr wichtig ist. Das hier ist nur eine von vielen Szenarien, die auftreten und zu Unsicherheit, Unzufriedenheit, Ärger und Motivationsverlust führen können. Doch das muss nicht sein. Die Übung machts Das A und O einer gelingenden Zusammenarbeit ist Offenheit. Wenn dir eine Situation nicht guttut, musst du es offen ansprechen. Besonders am Anfang ist das nicht leicht, doch alles, was du nicht aussprichst, bleibt bei dir hängen, beschwert dich und Betrachte die Wirkung deiner Körpersprache im Spiegel. nimmt dir die Freude an deinem Job, auf den du dich so gefreut hast. Damit du dich nicht unsicher fühlst, kannst du dir die wichtigsten Punkte vorher auf einem Zettel notieren. Und du darfst dir Gesprächszeit einfordern. Tu es. Es kann durchaus möglich sein, dass du ein solches Gespräch zum ersten Mal führst. Um deine Nervosität im Griff zu behalten, kannst du vorher vor einem Spiegel üben, was du sagst, wie du es sagst und wie deine Mimik und Gestik dabei sind. Das wirkt anfangs vielleicht ein bisschen seltsam. Doch es ist eine sehr gute Übung, um die eigene Gesprächsführung zu beobachten. Alternativ nimmst du dich mit dem Smartphone auf und bittest gute Freunde hinterher um ein ehrliches Statement dazu. (Achtung: Der Datenschutz von Kindern, Kolleginnen und Kollegen muss gewahrt werden.) Wenn du Übergriffe beobachtest Immer wieder passiert es, dass Praktikantinnen und Praktikanten, die das Team noch nicht so lange kennen, übergriffiges Verhalten der Fachkräfte beobachten. Meist geschieht dies in Form verbaler Entgleisungen, seltener, aber auch möglich, sind körperliche Übergriffe auf Kinder. Alles, was dir ungut vorkommt, was du nicht 26
Auszubildende verstehen kannst oder möchtest, solltest du ansprechen. Dafür brauchst du natürlich ein gewisses Feingefühl. Beobachte genau: → Wie reagiert das betroffene Kind? → Wie gehen die anderen Kinder mit der Situation um? → Was tun die Kolleginnen und Kollegen? → Wer hat die Situation sonst noch beobachtet? Sofern niemand außer dir mit dabei war, sprich die Kollegin oder den Kollegen darauf an. Hierfür reicht eine einfache Frage: „Kannst du mir erklären, warum du geschrien hast?“ Allein dadurch, dass du die Frage stellst, sind die Übergriffigen mit ihrem Verhalten konfrontiert. Zugleich solltest du deine Beobachtung stichpunktartig schriftlich festhalten und deiner Praxisanleitung, einem Teammitglied deines Vertrauens oder der Kita-Leitung mitteilen. Zum Wohle der Kinder, die du betreust, sei nie ruhig in solchen Situationen. Wenn du nichts sagst, schützt du die Übergriffigen und nicht die Opfer. Zurückhaltung ist angesagt In Teams kommt es hin und wieder zu Spannungen untereinander. Konflikte werden hinterrücks ausgetragen und leider nicht oft genug direkt angesprochen. Schneller als du schauen kannst, bist du mittendrin in einer Konfliktspirale, die eigentlich gar nichts mit dir zu tun hat. Ein Kollege spricht dich an und bittet um deine Meinung über die Kollegin. Kaum hast du was gesagt, kommt Mit neuen Ideen kannst du den Waldtag mitgestalten. diese Kollegin auf dich zu und erzählt dir von dem „bösen Kollegen“. Nimm dich zurück, sprich deine Kritikpunkte, egal bei wem, offen und ehrlich an und lass dich nicht vereinnahmen für die Unstimmigkeiten anderer. Je klarer du bist und je mehr Zurückhaltung du übst, umso mehr können die älteren Kolleginnen und Kollegen von dir lernen. Teams, die schon lange zusammenarbeiten, haben sich oft Verhaltensmuster angeeignet, die sie kaum noch bemerken. Ebendiese Muster führen dann aber auch leider immer wieder zu Konflikten. Bist du erst einmal involviert, ist Ärger vorprogrammiert. Lass dich begeistern Glücklicherweise gibt es allerdings auch die vielen Erzieherinnen und Erzieher, die tolle Teams gebildet haben und sich stets darin üben, ihr Miteinander zum Wohle aller zu gestalten. Beobachte deine Praxisanleitung, die anderen Teammitglieder und lass dich begeistern von allem, was sie tun. Frag bei der musikalischen Kollegin nach ihrer Vorgehensweise, auch wenn Musik eigentlich nicht dein präferiertes Lernfeld ist. Begleite den Kollegen zum Kreativworkshop mit Farben und Ytong-Steinen oder plane mit der Kollegin, die die Waldausflüge vorbereitet, einen Waldtag. Sei offen für alles, was du lernen kannst und nimm die Freude auf, die du fühlst. So multiplizierst du die Begeisterung und ihr steckt euch mit dieser Freude am Job gegenseitig an. Und das ist doch großartig. Stell dir nur die glücklichen Kinder vor, die von begeisterten Pädagoginnen und Pädagogen begleitet werden. Philipp Bischoff ist Coach, Multiplikator für friedvolle Kommunikation und Herausgeber. 27
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